Der irische Comedian Dara Ó Briain, der immer wieder offen seine Affinität zu Videospielen bekennt, hat einmal eine – für mich – denkwürdige Beobachtung gemacht. In seinem Bühnenprogramm vergleicht er verschiedene Kunstformen und stellt dabei ein Merkmal des Videospiels heraus: „You cannot be bad at listening to an album, but you can be bad at playing a video game. And the video game will punish you and deny you access to the rest of the video game. No other art form does this.“ (Live at the Apollo, 2010) Da hat Dara recht: Für ein Spiel kann man zu schlecht sein und es verwehrt einem dann einfach den Zutritt. Das war noch in den 80er- und 90er-Jahren, als Videospiele in den Spielhallen größer wurden, völlig beabsichtigt. Den Entwickler*innen war sogar daran gelegen, den Spielenden möglichst große Hürden in den Weg zu legen, damit diese möglichst viele Münzen in die Automaten warfen und die Spielhallen einen möglichst großen Teil ihres Geldes in neue Automaten ebendieses Spiels investierten. Die Spiele mussten schwer, aber zu schaffen sein. Hart, aber fair, war die Devise; damit man dran blieb und nicht schon nach fünf Minuten so voller Hass war, dass man das Portemonnaie nicht mehr fand.

Es war also u.a. eine schnöde monetäre Notwendigkeit prägend für Spiele – auch noch für die späteren der 8- und 16-Bit-Konsolen in den 90ern. Aus Funktion wurde Topos, aus der Notwendigkeit ein Motiv: Man konnte die Videospiele zu Hause zwar nun so oft spielen, wie man wollte, doch bretthart waren immer noch viele. Für die „Continues“ musste man nicht mehr teuer bezahlen, doch sie waren immer noch begrenzt. Irgendwann war Schluss, sämtlicher Fortschritt dahin und man durfte von vorn anfangen. Ich erinnere mich gut an Contra III: The Alien Wars (in Deutschland Super Probotector – The Alien Rebels) von 1992, dessen Ende ich als Kind nicht erleben durfte. Diese Tür wurde mir damals mit einiger Kraft vor der Nase zugeschlagen. Der Inhalt wurde verwehrt. Dass das Spiel letztlich nur eine Dauer von ca. 45 Minuten hatte, war mir entsprechend egal, denn schon diese Dreiviertelstunde war so reichhaltig mit Geschossen gefüllt, die alle in meine Richtung flogen, dass das Spiel auch gern eine 100-stündige Kampagne hätte haben können – ich wäre über die erste halbe Stunde ohnehin nicht hinausgekommen.

Heute sieht das in den meisten Fällen anders aus. Es gibt eine riesige Auswahl an Spielen, die möglichst lange und widerstandsfrei gespielt werden wollen. Dabei soll das mesolimbische System des Gehirns (landläufig „Belohnungszentrum“) möglichst regelmäßig angesprochen, der*die Besitzer*in jenes Gehirns auf keinen Fall frustiert und das Bankkonto des Opfers so regelmäßig wie möglich durch sog. „In-Game-Käufe“ drainiert werden. Nun: Dass man das Vergnügen des*der Spielenden als Entwickler*in nicht völlig ignorieren kann, leuchtet ein. Das Ganze soll doch – wenigstens manchmal – auch Spaß machen. Die meisten Spiele bedienen sich schließlich irgendeiner Form der Allmachtsfantasie. Schwach und zerbrechlich fühlen kann man sich ja schon bei Schulsport und Bewerbungsgesprächen – dafür braucht man keine Videospiele. In den meisten modernen Spielen wachsen dann aber nicht wir als Spielende, sondern wir sehen unserem Avatar, der Spielfigur, beim unaufhörlichen Besserwerden zu. Es sind nicht mehr wir, die scheitern – aber es sind auch nicht mehr unsere Erfolge.

In den letzten Jahren haben allerdings einige Spiele den Schwierigkeitsgrad vergangener Tage eine Renaissance erleben lassen. Die Spiele des japanischen Entwicklerteams From Software zum Beispiel sind berüchtigt für ihren hohen Schwierigkeitsgrad. Sie haben ihn wieder salonfähig gemacht. Der neueste Titel Sekiro – Shadows Die Twice (2019) hat sogar zu einigem Aufruhr in den digitalen Medien geführt: Das Spiel sei zu schwer und es sei eine Zumutung, dass es die Wahl des Schwierigkeitsgrades schuldig bleibe. Anspruchsvoll sind diese und viele andere Spiele ohne Frage und sie erlauben in der Tat – ungleich den meisten anderen Spielen – keine Korrektur des Schwierigkeitsgrades nach unten, doch sie haben Systeme, die uns den (Leidens-)Weg erleichtern. Wie überaus viele Großproduktionen der Videospielindustrie dieser Tage haben sie Rollenspielelemente, die den Gärtner in uns ansprechen sollen: Auch sie wollen, dass wir uns am Wachsen unserer Spielfigur erfreuen. Durch kleinere, beliebig wiederholbare Erfolge lassen sich die Fähigkeiten unseres Avatars vergrößern und die Herausforderung verkleinern. Mit etwas Fleiß können wir uns die Spiele so erleichtern und uns hoffentlich für etwas mehr ihres Inhalts qualifizieren. Am Ende sind wir und der Avatar gleichsam an der Erfahrung gewachsen und gehen geläutert daraus hervor.

Ich habe mich durch viele schwere Spiele – die aus dem Hause From Software sämtlich – mit einiger Freude durchgekämpft. Vor dem kleinen Indie-Titel Furi (2016) mit seiner Comicgrafik hatte ich entsprechend wenig Respekt. Ein Fehler. Denn das Spiel hat mir ungeschminkt meine Fähigkeiten gezeigt. Es hat keine Umwege erlaubt. Es hat mich einfach solange vor die Wand laufen lassen… bis ich durchgebrochen war.

To Be Continued…